Philosophie

  1. Philosophie am Gymnasium an der Stadtmauer

Philosophie wird an unserer Schule als Grundkurs in der Oberstufe unterrichtet; Philosophie wird aber auch als Arbeitsgemeinschaft für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I angeboten.

  1. Was ist überhaupt Philosophie?

Der Begriff Philosophie wird als Terminus in der heute noch gängigen Bedeutung – Liebe zur Weisheit, Streben nach Wissen – wahrscheinlich zum ersten Male von Pythagoras von Samos verwendet. Pythagoras versteht unter Philosophie eine spezifisch menschliche Tätigkeit; er unterscheidet diese von der nur Gott zukommenden sophia, die der Mensch nur liebend erstreben, aber niemals besitzen kann. Diese Bestimmung von Philosophie finden wir auch in den Dialogen Platons. Streng genommen ist Philosophieren abzugrenzen von der Philosophie, das Tätigsein des menschlichen Geistes von der Gesamtheit der philosophischen Theorien, die im Verlauf der Philosophiegeschichte gebildet werden. „Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit“, bemerkt Ludwig Wittgenstein im Tractatus logico-philosophicus. Die Handlung des Philosophierens und die Philosophie bilden aber selbstverständlich eine Einheit. Die Tätigkeit des Philosophierens steht in Dialog zu Theorien, die die Philosophiegeschichte bereitstellt, bezieht sich auf diese in konstruktiv-kritischer Weise, hinterfragt gängige Theorien, weist deren Gültigkeitsansprüche zurück oder entwickelt philosophische Theorien weiter. Angestoßen wird diese Tätigkeit durch ein Staunen, wie zum Beispiel Aristoteles bemerkt: „Verwunderung veranlasste zuerst wie noch jetzt die Menschen zum Philosophieren“ (Aristoteles: Metaphysik). Es ist der staunende Mensch, der Fragen stellt, die sich mit seinem gesamten Mensch-Sein auseinandersetzen. Die genuin philosophischen Fragen (nach Kant sind die Grundfragen des Philosophierens die Fragen: Was kann ich wissen?, Was soll ich tun?, Was darf ich hoffen?, Was ist der Mensch?) gehen aus einem zunächst kindlich fragenden Staunen hervor; sie werden schließlich zu einem System von Fragen, die den Dingen auf den Grund gehen wollen, radikal sind, Grundsätzliches klären wollen. In den verschiedenen Disziplinen der Philosophie (Anthropologie, Ethik, Erkenntnistheorie, Ästhetik, Geschichtsphilosophie, Rechtsphilosophie, politische Philosophie, …) versuchen Philosophinnen und Philosophen  seit über 2000 Jahren mögliche Antworten zu den Grundfragen der Philosophie zu geben. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich neue Disziplinen der Philosophie etabliert, die sich mit der Situation des Menschen in der modernen, pluralistischen Gesellschaft und mit ökologischen Fragestellungen auseinandersetzen (z.B. Technikphilosophie, Wissenschaftsethik, Wirtschaftsethik).

  1. Warum sollte es ein Schulfach Philosophie geben?

Das Schulfach Philosophie bietet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, in einem schulisch organisierten Rahmen – also in der Gemeinschaft und somit von vornherein im Dialog mit anderen Schülerinnen und Schülern – existentiell bedeutsame Fragen und Probleme wahrzunehmen und zu reflektieren (nachdenken, überdenken, auf sich selbst zurückkommen; von lateinisch reflectere = zurückbeugen) und in den Dialog zu treten mit klassischen und modernen Theorien der Philosophie, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen. Die Ausgerichtetheit des Philosophieunterrichts auf Dialog bietet dabei in besonderer Weise Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, ihre Mündigkeit im Denken zu entwickeln und zu erproben. Mit Kant kann die Mündigkeit des Menschen darin gesehen werden, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Sich in den Prozess der Aufklärung und Selbstaufklärung zu begeben, ist nach Kant Recht und Pflicht des Menschen zugleich: „Ein Mensch kann zwar für seine Person und auch alsdann nur auf einige Zeit in dem, was ihm zu wissen obliegt, die Aufklärung aufschieben; aber auf sie Verzicht zu tun, es sei für seine Person, mehr aber noch für die Nachkommenschaft, heißt die heiligen Rechte der Menschheit verletzen und mit Füßen treten“ (Immanuel Kant: Was ist Aufklärung?). Gerade in einer immer komplexer werdenden, pluralistischen Gesellschaft erscheint der eigene Verstandesgebrauch von zentraler Bedeutung zu sein, um in der Lage zu sein, Bevormundungen und Manipulationen zu durchschauen, deren Geltungsansprüche zurückzuweisen und die eigene, mündige Persönlichkeit zu entwickeln. In herrschaftsfrei und rational zu führenden Diskursen erörtern Schülerinnen und Schüler klassische und aktuelle Fragestellungen der Philosophie,  problematisieren Antworten der Philosophie und positionieren sich somit in diesem Prozess der kritischen Reflexion selbst. Kompetenzen (z.B. Reflexionskompetenz, Dialogkompetenz), über die Schülerinnen und Schüler verfügen sollten, um an demokratischen Prozessen partizipieren zu können, werden somit im Philosophieunterricht gefördert. Die Ergebnisoffenheit des Philosophierens lässt die dialogische Zielsetzung des Fachunterrichts in besonderer Weise hervortreten.

  1. Was sind die Inhalte des Philosophieunterrichts?

Im Philosophieunterricht werden Schülerinnen und Schüler mit philosophischen Positionen unterschiedlicher Epochen zu unterschiedlichen Fragestellungen konfrontiert; das Ziel des Philosophieunterrichts besteht darin, die philosophischen Positionen zum Ausgangspunkt einer Problemreflexion zu machen (vgl. zum Begriff der „Problemreflexion“ die Ausführungen in den EPA Philosophie der KMK). Textauszüge aus philosophischen Werken (z.B. Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten) oder kleine philosophische Ganzschriften (z.B. Hans Jonas: Der Gottesbegriff nach Auschwitz oder  Thomas Nagel: Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?) werden dabei von den Schülerinnen und Schülern mit verschiedenen Textbearbeitungsstrategien bearbeitet (vgl. dazu die Ausführungen im Lehrplan für das Leistungsfach, S. 18).  Neben philosophischen Texten können auch literarische Texte, die philosophisch von Interesse sind, im Philosophieunterricht als Ausgangspunkt einer Problemreflexion zu Grunde gelegt werden, aber auch Werke der bildenden Kunst („Philosophieren mit Bildern“) sowie Filme, die philosophische Fragestellungen enthalten (z.B. Ingmar Bergman: Das siebente Siegel). Auch Gedankenexperimente, die von den Schülerinnen und Schülern entweder analysiert und weitergedacht oder selbstständig konzipiert werden, können im Kontext einer Problemreflexion Gegenstand des Unterrichts sein. Neben der mündlichen Artikulation ihrer Gedanken kultivieren Schülerinnen und Schüler im Philosophieunterricht auch ihre Kompetenz, philosophische Reflexionen in schriftlicher Form darzustellen. Dazu gehören kreative Schreibformen wie Philosophische Essays oder Aphorismen. Zu den Lerninhalten gehört auch die sukzessive Aneignung einer philosophischen Fachterminologie.